Craftbier: Was ist Craftbier?

Craftbier: Was ist Craftbier?

Dr. Markus Fohr
Aktualisiert am Mo. 24. Feb 2025

Craftbier - Das Wichtigste in Kürze:

  • Handwerk statt Industrie: Craftbier wird in kleinen Brauereien handwerklich gebraut und setzt auf Kreativität statt Massenproduktion.
  • Besondere Zutaten: Neben Wasser, Malz, Hopfen und Hefe werden oft spezielle Zutaten wie Früchte, Gewürze oder exotische Hefen verwendet.
  • Geschmackliche Vielfalt: Craftbier kann süß, sauer, fruchtig, würzig oder sogar rauchig sein – es bricht mit den traditionellen Bierstilen.
  • Oft etwas teurer: Durch aufwendige Herstellung in kleineren Mengen ist Craftbier in der Regel teurer als herkömmliches Bier.
  • Nimm an einem Biertasting in Lahnstein teil und verkoste verschiedene Craftbiere.

Was ist Craftbier?

Craftbier bezeichnet Biere, die nicht industriell produziert, sondern handwerklich gebraut wurden. “Craft” ist englisch und bedeutet “Handwerk”. Bei Craftbier werden auch Zutaten verwendet, die nicht in das Reinheitsgebot für Bier passen. Also weitere Zutaten neben Wasser, Malz, Hopfen und Hefe.

Eine gesetzliche Definition des Begriffes Craftbier gibt es in den klassischen Bierländern Deutschland, Belgien, England und Tschechien genauso wenig wie im Mutterland des Craftbieres, den USA.

Mythen und Legenden ranken sich um die Begriffe "Bier" im Allgemeinen und "Craftbier" im Besonderen.

Es gibt sie, diese Definition des Craftbieres. Denn wenn Du die Geschichte des Craftbiers betrachtest, dann ist diese unstrittig und hat sich wie folgt ereignet:

Craftbier – eine historische Definition:

  • Seit Beginn der Prohibition (Verbot bestimmter Drogen) waren die USA das Land der uniformen Leicht- und Einheitsbiere.
  • Am 14. Oktober 1978 unterzeichnete der damalige Präsident Jimmy Carter das Gesetz "H. R. 1337" und legalisierte damit das bislang verbotene Heimbrauen sowie die Gründung kleiner Brauereien. Man nannte diese zunächst „Microbreweries“.
  • Aus dieser Situation heraus begannen viele Menschen zu Hause von Hand ihr eigenes Bier zu brauen. Dabei kamen längst vergessene Zutaten wie Aromahopfen, Spezialmalze, spezielle Hefen, Gewürze, Früchte und mehr zum Einsatz. Die resultierenden naturtrüben Biere eröffneten ungeahnte Geschmackswelten.
  • Heute wurden aus manchen Heimbrauern weltberühmte Brauereien und ein weltweiter Trend: Die Wiederentdeckung der Individualität und Vielfalt, die ein handgemachtes Bier bieten kann.
  • Zahlreiche gewachsene Brauereien in aller Welt schlossen und schließen sich noch heute an und brauen Craftbier.
  • Craftbier wurde so zur Übersetzung des Megatrends nach Individualität und Vielfalt in die Brauersprache.
  • Alleine in den USA stieg die Anzahl der Brauereien von 92 Brauereien im Jahr 1980 auf rund 10.000 im Jahr 2024 an.

Craftbier ist die Rückkehr der Individualität in die Brauwirtschaft.

Der Begriff Craftbier tauchte übrigens zum ersten Mal 1982 in einer Veröffentlichung des Journalisten Vince Cottone auf.

"Probiere Dich bei unserer Bierverkostung durch seltene Sude bis hin zu internationale Spezialitäten. Hier kommt jeder Craftbier-Liebhaber auf seine Kosten."
— Dr. Markus Fohr

Craftbiere in einer Reihe auf einem Bartresen

Was unterscheidet Craftbier von normalem Bier?

Craftbier unterscheidet sich in mehreren Aspekten von herkömmlichen Bieren:

Craftbier
Bier
Brauprozess
Wird in der Regel kleinen Brauereien handwerklich gebraut. Kreative Rezepte kommen zum Einsatz.
Wird in der Regel in Massenproduktion hergestellt. Der Fokus liegt auf gleichbleibendem Geschmack und Effizienz.
Zutaten
Neben herkömmlichen Bierzutaten kommen auch ungewöhnliche oder saisonale Zutaten wie verschiedene Hopfensorten, Gewürze oder Früchte zum Einsatz.
Es gibt ein standardisiertes Rezept.
Alkoholgehalt
Alle Variationen: alkoholfrei bis hin zu einem starken Alkoholgehalt, vergleichbar mit Spirituosen.
In der Regel liegt der Alkoholgehalt zwischen 4,8 und 5,4 Prozent.
Geschmack
Alle Variationen sind möglich: von spritzig bis sanft, kräftig süß bis hin zu sauer oder bitter, fruchtig oder rostig, rauchig oder würzig.
Bleibt dem bekannten Geschmacksspektrum treu.
Philosophie
Craftbier-Brauer sind oft unabhängige Brauereien, die sich als Teil einer Bewegung sehen, die Bierkultur neu zu definieren.
Großbrauereien produzieren für den Massenmarkt mit wirtschaftlicher Effizienz als Hauptziel.

Vergleiche einmal Bier mit Pommes Frites. Bestellst Du die Pommes Frites bei einer Fastfoodkette, dann weißt Du, dass Du ein standardisiertes Produkt bekommst, das in New York genauso aussieht und schmeckt wie in Kairo oder Tokio. Bestellst Du aber hausgemachte Pommes Frites, dann sehen die jedes Mal anders aus, sind mit unterschiedlichen Ölen frittiert, aus unterschiedlichen Arten von Kartoffeln produziert und mit verschiedenen Gewürzen aromatisiert.

Genauso ist es mit den Bieren dieser Welt. Bestellst Du eine der bekannten Biersorten, dann weißt Du, dass Du ein standardisiertes Produkt bekommst.

Bestellst Du irgendwo auf der Welt ein Craftbier, dann schillern Dir alle nur denkbaren Farben von hellem strohgelb bis tiefschwarz entgegen. Craftbier kann kristallklar oder auch trüb sein, spritzig wie ein Champagner oder auch mild wie ein Wasser mit wenig Kohlensäure, kräftig süß bis hin zu sauer oder bitter, fruchtig oder rostig, rauchig oder würzig. Einige Craftbiere sind alkoholfrei – manche hingegen so stark wie Spirituosen.

Craftbiere in einer Reihe

Craftbier-Zutaten

Den unterschiedlichen Geschmack und das unterschiedliche Erscheinungsbild erreichen Craftbier-Brauer, indem sie nicht das Standard-Pilsner-Malz Hell verwenden. Sie verwenden eine der vielen Spezialmalze, die es gibt. Genauso wird für das Brauen von Craftbier in der Regel nicht mit dem Standard-Bitterhopfen gebraut. Es gibt rund 300 Hopfen, die im Bierbereich zu Hause sind. Bei Craftbier muss es auch nicht die Standardhefe für Lagerbier sein, es kann eine belgische Hefe sein, eine Sekthefe, eine Weihefe oder eine ganz andere.

Ein Mann hält Hopfen

Wie schmeckt Craftbier?

Die Vielfalt der Malze, Hopfenarten und Hefen lässt nahezu unendliche Aromenvielfalt entstehen. Werden zum Craftbier dann noch Rohstoffe wie Früchte, Gewürze, Honig, Schokolade, Kaffee und mehr hinzugefügt, kannst Du jeden erdenklichen Geschmack in Bier erleben. Anders gesagt: Craftbier ist entstanden, damit es anders schmeckt als das Standardbier aus dem Supermarkt. Ob Craftbier Dir schmeckt, kannst nur Du selbst herausfinden – etwa mit einer Bierverkostung.

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— Dr. Markus Fohr

Warum ist Craftbier oft teurer?

Da Craftbiere nicht industriell, sondern in kleineren Mengen aus besonderen Rohstoffen handwerklich hergestellt werden, ist Craftbier in der Regel teurer als industriell produziertes Bier. Dort sparen die Hersteller, indem sie Prozesse verschlanken, Zutaten standardisieren und in großen Mengen produzieren.

Aus standardisierten Rohstoffen industriell in großen Mengen hergestellte Produkte sind immer deutlich günstiger als handwerklich in kleinen Mengen aus besonderen Rohstoffen hergestellte Produkte. Darin unterscheidet sich Craftbier nicht von anderen Produkten.

Welche Bierstile gehören zu Craftbier?

Ob ein Bier ein Craftbier ist oder nicht hängt von zwei Faktoren ab:

  • Stammt der Bierstil aus der Craftbier-Zeit oder ist der Stil ein Bierklassiker?
  • Wurde das Bier handwerklich oder industriell gebraut?

Entspringt das Bier der Craftbier-Zeit und wurde handwerklich gebraut, handelt es sich um ein Craftbier.

Ist Pale Ale Craftbier?

Ob Pale Ale Craftbier ist oder nicht, hängt ebenso von den zwei genannten Faktoren ab.

Stellt etwa eine große Brauerei ein Pale Ale industriell in großen Mengen her, handelt es sich nicht um ein Craftbier.

Wird das Pale Ale von einer kleinen, handwerklich arbeitenden Brauerei, ist es ein Craftbier.

Genauso verhält es sich mit dem India Pale Ale. Siehst Du ein klassisches englisches India Pale Ale, wie Du es schon vor 200 Jahren in großen Mengen hättest trinken können, als Craftbier an? Bei den „Kindern“ dieses Klassikers sieht das schon anders aus: American Style IPAs, Hazy IPAs, Double IPAs und viele mehr sind definitiv erst in der Craftbierzeit seit 1978 entstanden. Ihre Produktion erfolgt meist handwerklich mit besonderen Rohstoffen. Diese Biere kannst Du als Craftbier ansehen.

Ist IPA ein Craftbier?

Für India Pale Ale (IPA) gelten die gleichen Konditionen. So wird ein klassisches englisches India Pale Ale, das bereits seit 200 Jahren in großen Mengen gebraut wird, nicht als Craftbier angesehen. Bei den Nachkommen des Klassikers sieht das anders aus: American Style IPAs, Hazy IPAs, Double IPAs und viele mehr sind erst in der Craftbier-Zeit (seit 1978) entstanden. Diese Biere werden meist handwerklich mit ausgewählten Rohstoffen produziert und können somit als Craftbier interpretiert werden.

Freunde stoßen mit Craftbier an

Welchen Marktanteil hat Craftbier in Deutschland?

Offizielle Zahlen, welchen Marktanteil Craftbier in Deutschland hat, gibt es aufgrund der mangelnden Definition nicht. Es gibt jedoch Zahlen, die Dir eine Einschätzung geben können. Stand 2023 gab es in Deutschland 1.184 Brauereien, die weniger als 10.000 Hektoliter (hl) jährlich brauten. Aufgrund der niedrigen Produktionszahlen kannst Du attestieren, dass diese zumindest überwiegend handwerklich brauen. Hinzu kommen etwa 11.000 Hobbybrauer, die ausschließlich handwerklich brauen (Süddeutsche Zeitung, 2023). Beide zusammen brauten im Jahr 2023 rund 1,6 Mio. hl Bier und damit 1,8 % der gesamten Bierproduktion in Deutschland (Deutscher Brauer-Bund e.V., n.d.). Craftbier in Deutschland ist also eine Nische. Aber sind nicht alle handwerklich hergestellten Produkten auch Nischenprodukte?